Die Digitalisierung ist Treiber und Resultat des technologischen Fortschritts und der digitalen Transformation der Gesellschaft, die auch vor der Politik nicht Halt macht. Die «Politik der Digitalisierung» und die «Digitalisierung der Politik» gehen Hand in Hand. Der von DenkRaumBodensee und Think Tank Thurgau am 27. Oktober in Amriswil veranstaltete Wissenschaftskongress 2021 beleuchtete die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Politik und die politischen Prozesse.
Mehr als 50 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft diskutierten die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Schnell wurde deutlich, dass es mehr als Online-Formulare braucht, um als smarte Verwaltung die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Big Data und algorithmische Entscheidungsfindung können beispielsweise für eine Realtime-Steuerung und persönliches Feedback genutzt werden. Zwischen dem, was bereits möglich ist, und der Realität in Städten und Gemeinden, aber auch auf kantonaler und Bundesebene scheint jedoch vielfach noch eine grosse Lücke zu klaffen.
Die Chancen der Digitalisierung für die Politik liegen u.a. in grösserer Transparenz, der Einbeziehung weiterer Bevölkerungsgruppen und in neuen Kommunikationswegen. Digitalisierung birgt jedoch auch Risiken durch Desinformation und Fake News; ausserdem kann eine politisch motivierte Zensur – wie Beispiele aus China zeigen – als Repressionstechnologie eingesetzt werden.
Die Medienlandschaft erlebte in den vergangenen Jahren eine zunehmende Fragmentierung: klassische Medien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen geraten gegenüber Social Media und Internet zunehmend ins Hintertreffen. Die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung sind vielfältiger geworden, der Zugriff ist schneller und einfacher, die Zahl der Anbieter hat sich vervielfacht. Die Konkurrenz im globalen digitalen Medienmarkt ist gross – was es auch für die Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend schwieriger macht, sich zu orientieren. Um junge Zielgruppen zu erreichen, erweitert auch das Schweizer Radio und Fernsehen sein Angebot und seine Kanäle, um deren Nutzungsgewohnheiten zu entsprechen.
Der Einsatz digitaler Medien und Tools sollte aber nie Selbstzweck sein, sondern einer definierten Zielerreichung und Problemlösung dienen. Beispiele aus Vorarlberg, Vaduz oder Lichtensteig zeigten, wie Bürgerbeteiligung mithilfe digitaler Tools gelingen kann. Ihre Erfahrungen machen aber auch deutlich, dass es einen Mix aus digitalen und analogen Beteiligungsformen braucht, um möglichst viele zu motivieren mitzudenken und sich einzubringen.
Der Wissenschaftskongress machte deutlich, dass es - wie in vielen Bereichen -, nicht an technischen Lösungen mangelt. Vielmehr braucht es ein Umdenken in Politik und Verwaltung, letztlich aber auch in der Bevölkerung, um Rahmenbedingungen politischer Entscheidungsprozesse zu verbessern und die Chancen der Digitalisierung für demokratische Prozesse zu nutzen.