Grenzen

Nationale Egoismen gewinnen in zahlreichen nicht nur europäischen Ländern an Bedeutung, spiegeln Werthaltungen und bestimmen das politische Geschehen. Mauern zwischen Nationalstaaten erscheinen nicht mehr als absurde Idee einzelner, sondern finden zahlreiche Unterstützer: Strafzölle und Grenzzäune statt gemeinsamer Wirtschafts- oder Bevölkerungspolitik. Was im globalen Massstab zu beobachten ist, findet sich auch auf der kommunalen und regionalen Ebene. Für gleiche oder gemeinsame Probleme wird nur selten gemeinsam nach Lösungen gesucht. Dies gilt auch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion. Trotz einer jahrzehntelangen intensiven und vielfach erfolgreichen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg, scheint diese nicht (mehr) selbstverständlich und wird zunehmend kritisch betrachtet. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit findet unter erschwerten Bedingungen statt und braucht mehr denn je den gemeinsamen Willen und verstärkte Anstrengungen, um ein konstruktives Klima für Kooperationen zu schaffen. Gleichzeitig sieht sich auch die Bodenseeregion mit Herausforderungen für die Zukunft konfrontiert, die eine Zusammenarbeit über territoriale Grenzen hinweg erfordern, um zentrale Zukunftsprobleme der Bodenseeregion gemeinsam zu lösen und die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu erhalten.

Im Rahmen eines DenkRaumDialogs „Von Kirchtürmen und Grenzzäunen“ am 5.7. 2019 fragten wir: Wie stellt sich die Situation der regionalen und der grenzüberschreitenden Kooperation in der Bodenseeregion derzeit dar? Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert und mit welchen Herausforderungen ist die Region zukünftig konfrontiert? Was sind die Auslöser für diese Entwicklung? Welche Bedeutung hat die (europäische) Integrationspolitik für die regionale Ebene? Und welchen Einfluss hat die „globale“ Politik auf diese? Im Ergebnis waren sich die Teilnehmenden einig:

  • Der ideelle Wert der Zusammenarbeit wurde früher höher eingeschätzt als heute.
  • Der eigene Nutzen steht heute im Vordergrund, die Verhandlungspartner wollen sichtbare Fortschritte vorweisen können, sie stehen unter Erfolgsdruck.
  • Kooperation bedeutet immer auch, einen Teil der eigenen Autonomie abzugeben. Mit der gegenwärtigen politischen Grundstimmung scheint aber dafür die Bereitschaft zu sinken.
  • Der Wille zur Zusammenarbeit nach wie vor stark vorhanden. Allerdings sind die Rahmenbedingungen komplexer geworden. Die Arbeit erscheint oft mühselig.
  • Der Erfolg einer Zusammenarbeit hängt stark von der Persönlichkeit und dem Einsatz einzelner Personen ab.

Eine Zusammenfassung der Veranstaltung finden Sie hier.

 

Kultur der Grenze

In der Region Alpenrheintal geht die Post ab. Und das nicht nur trotz, sondern auch weil wir eine Grenzregion sind und unsere Grenzkultur wertschätzen. Anliegen der Initiative «Kultur der Grenze» ist es, die verschiedenen Grenzziehungen positiv, als kreative und innovative Reibungsfläche und als Chance für die gesamte Bodenseeregion zu sehen. Im Forum „Kultur der Grenze“ betrachten wir unterschiedliche Arten von Grenzen: Räumliche, politische, wirtschaftliche aber auch mentale und kulturelle Grenzen.

In der Initiative Kultur der Grenze engagieren sich:

  • Anne Brandl, Professorin für Raumentwicklung, Universität Liechtenstein
  • Bertram Meusburger, Büro für Zukunftsfragen Land Vorarlberg
  • Martin Meusburger, Pionierbasis Dornbirn
  • Oskar Müller, vorm. Rektor FH Vorarlberg
  • Jürg Plüss, KNOWHOWCoaching AG, ehem. Stadtrat Altstätten
  • Lothar Ritter, Rektor NTB Buchs
  • Sabina Saggioro, Geschäftsführerin Verein St. Galler Rheintal
  • Jolanda Spirig, Autorin
  • Simone Strauf, DenkraumBodensee
  • Sarah Peter Vogt, intu consulting
  • Eugen Voit, pens. Leica Geosystems, Hochschulrat NTB, ehem. Vorstand AGV Rheintal

Die Initiative „Kultur der Grenze“ lud am 25.11.2019 alle Interessierten ein, das Thema Grenze in seiner Vielfalt und seinen Potenzialen zu diskutieren. Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist aus Zürich stellte seine „Gedanken zur Grenzkultur“ vor.

 

Grenzgänger Wissenschaft

Europas wirtschaftliche Integration ist nach dem 2. Weltkrieg sehr erfolgreich verlaufen. Einer der größten Integrationsschritte ist die Ermöglichung der vier Grundfreiheiten: freier Güterhandel, freier Dienstleistungshandel, freier Kapitalverkehr und die Personenfreizügigkeit.

Doch setzen diese Errungenschaften Teile der Gesellschaft auch unter Druck. Parallel fragmentiert sich die Gesellschaft immer stärker und die dabei entstehenden Gruppen beklagen einen Mangel an Repräsentation, Teilhabe und Identität. Dies wird zunehmend von populistischen und extremen politischen Bewegungen aufgegriffen, die die Grundfreiheiten immer stärker ablehnen; insbesondere die Personenfreizügigkeit. Auch die Grenzen zwischen verschiedenen Weltregionen, anderen Nationalstaaten und innerhalb von Nationalstaaten wurden bereits verstärkt beziehungsweise sollen weiter verstärkt werden. Diese Punkte haben weitreichende gesellschaftliche Folgen und finden sich entsprechend prominent in den Parteiprogrammen für die Wahlen des Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019 wieder.

Was sind die Ursachen für diese Ablehnung und Abschottung? Sind die vorgebrachten Gründe, zum Beispiel im Falle des Brexits, plausibel? Welche Entwicklungen gibt es in anderen Ländern? Wie kann die EU gegensteuern und wie muss die EU sich ändern? In wie weit ist die Schweiz als mögliches Modell für die EU eine wirkliche Alternative? Und was können wir vom Brexit lernen?

Diese Themen wurden am Dienstag, 21. Mai 2019 im Café SiX (Hauptstrasse 6, Kreuzlingen) beim Grenzgänger Wissenschaft zur „Zukunft der Grenzen“ behandelt. Die Moderation hatte Thomas Radke, Internationale Bodensee-Konferenz.

Die Referenten

Prof. Dr. Thomas Hinz widmet sich an der Universität Konstanz aktuellen theoretischen und empirischen Problemstellungen der Soziologie.

Prof. Dr. Erdal Yalçin forscht an der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) zu Unsicherheiten in der internationalen Handelspolitik und zur Bewertung wirtschaftlicher Effekte von Handelsabkommen.