Regionale Identität

Was ist eigentlich die Bodenseeregion? Wo beginnt sie, wo hört sie auf? Gibt es die eine Bodenseeregion? Je nach Standort, betrachteter Thematik oder individuellem Mobilitätsverhalten, fällt die Abgrenzung der Bodenseeregion sehr unterschiedlich aus. Neben dem See sind die Grenzen wesentliches Merkmal unserer Region. Die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg hat eine lange Tradition. Allerdings scheint die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden zu sein. DenkRaumBodensee fragte: Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert und mit welchen Herausforderungen ist die Region zukünftig konfrontiert? Die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, die Einheit in der Vielfalt der Teilräume und der gemeinsame Kulturraum prägen das Bewusstsein der Menschen in der Region. Die Überwindung der Grenzen, die Potenziale bietet und neue Blickwinkel eröffnet, trägt zur regionalen Identität bei. Aber auch das kulturelle Erbe der Bodenseeregion leistet einen wichtigen Beitrag zur regionalen Identität. Sind die Menschen in der Region sich dieses Erbes bewusst oder ist es nur noch reine Dekoration für den Tourismus? Wie verändert sich die regionale Identität im Zuge der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Zusammenleben in der Bodenseeregion?

In diesem breit gefächerten Themenfeld finden Kooperationen mit der IBK-Geschäftsstelle oder mit Vertreter*innen der IBK-Kommission Kultur statt ebenso wie mit dem Internationalen Städtebund Bodensee oder regionalen Kulturinitiativen.

Auswirkungen und Wahrnehmungen der coronabedingten Grenzschliessung

Seit Anfang des Jahres 2020 hat sich die Welt aufgrund der Corona-Pandemie grundsätzlich verändert und vieles wird nach dem Ende der Krise nicht mehr so sein wie davor. Fast alle Bereiche des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens sind von der Pandemie betroffen und müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Dies gilt auch und in besonderem Masse für die internationale Bodenseeregion. Im Zuge der europaweiten Grenzschliessungen waren auch in der Bodenseeregion die Grenzen über mehrere Wochen und Monate nur sehr eingeschränkt passierbar. Wie haben die Bürgerinnen und Bürger die Grenzschliessung wahrgenommen? Werden die Massnahmen langfristig Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion haben? DenkRaumBodensee hat Bürgerinnen und Bürger befragt, wie sie diese aussergewöhnliche Situation erlebt haben. Beim DenkRaumForum wurden die Ergebnisse vorgestellt und die Auswirkungen der vorübergehenden Grenzschliessung auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit diskutiert.

Die Ergebnisse der Umfrage und eine Zusammenfassung der Diskussion im DenkRaumForum finden Sie hier.

 

DenkRaumForum: Sind wir eine Region? Und wenn ja, wie viele?

Was ist eigentlich die Bodenseeregion? Wo beginnt sie, wo hört sie auf? Meist wird der Grenzraum zwischen Österreich, Liechtenstein, der Schweiz und Deutschland mit dem Bodensee im Zentrum als Bodenseeregion bezeichnet. Damit sind insgesamt vier Nationalstaaten an der internationalen Bodensee beteiligt und mit der Grenze zur Schweiz resp. zum Fürstentum Liechtenstein verläuft auch eine Aussengrenze der EU durch diesen Raum. Eine verbindliche Abgrenzung, wo genau diese Region Bodensee beginnt, wer dazu gehört und wo sie endet, gibt es nicht. Je nach institutionellem oder funktionalem Zusammenhang können sich die räumlichen Abgrenzungen deutlich unterscheiden: So reicht die Bodenseeregion aus Sicht des Gewässerschutzes bis weit in den Alpenraum hinein, Touristiker betrachten einen engeren, ufernahen Bereich und für die Hochschulkooperation umfasst sie grosse Gebiete Süddeutschlands und der Nordschweiz sowie Liechtenstein und Vorarlberg.

Wie das Beispiel der verschiedenen räumlichen Abgrenzung der Bodenseeregion zeigt, lässt sich der Regionsbegriff nicht eindeutig definieren. Was wird nun unter dem Begriff Region verstanden? Allgemein ist eine Region „ein durch bestimmte Merkmale gekennzeichneter, zusammenhängender Teilraum mittlerer Grössenordnung in einem Gesamtraum“ (ARL 1994:805). In dieser Definition zeigt sich, dass Region meist als relationale Einheit gesehen wird, die mehrere Elemente zueinander in Beziehung setzt: angefangen beim lokalen (Stadt, Dorf usw.) und dem überlokalen Raum (Bezirk, Region) über den überregionalen (Grossregion, Staat) und nationalen Raum (Staat) bis zum transnationalen bzw. internationalen Raum (Staatengruppe, Kontinent, Weltregion). Im alltäglichen Sprachgebrauch geht man mit diesen Relationen meist unproblematisch und pragmatisch um: Zur Beschreibung des Asienurlaubs reicht die regionale Zuordnung „Thailand“ völlig aus, während für den Frankreichurlaub der Massstab schon kleiner sein muss und von der Provence die Rede ist. Und beim Einkauf verbindet jeder etwas mit der Regionsangabe „Bodenseeobst“ oder „Ländle Produkt“. Der Einzelne konstruiert also aus seinen individuellen Lebensräumen situativ seine Region.

Auch in der Wissenschaft scheint es keine allgemein gültige Definition von Region zu geben. Innerhalb der verschiedenen Fachdisziplinen findet seit langem eine intensive Diskussion über die Regionsdefinitionen statt. Es zeigt sich hierbei, dass eine Vielzahl von Regionsdefinitionen und damit auch von Regionsabgrenzungen existiert. In der Schweiz spricht man hier vom Grundsatz der variablen Geometrie.

Was bedeutet dies nun für die Zukunft der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Bodenseeregion? Muss der Regionsbegriff neu definiert werden und braucht es hier flexiblere Raumabgrenzungen, je nach konkreter Funktion resp. Zielsetzung? Unstrittig ist, dass es die Bodenseeregion als einen einheitlichen Funktionsraum nicht gibt und es stattdessen viele verschiedene funktionale Bodenseeregionen existieren. Auf politischer Ebene erscheint es notwendig, einen gemeinsamen Handlungsraum zu schaffen, in dem Entscheide für die Region getroffen werden können. Mit der Internationalen Bodensee Konferenz besteht eine derartige grenzüberschreitende Plattform, die sich auf eine verbindlich definierte politisch-administrative Raumabgrenzung bezieht.

Um eine zukunftsfähige Entwicklung zu gewährleisten, werden sich regionale Kooperationen stärker als heute auf ein funktionsräumliches Zusammenarbeiten fokussieren (müssen). Dies gilt auch für die internationale Bodenseeregion, in der sich die heute bestehenden Kooperationsstrukturen weiter entwickeln müssen. Was heisst dies aber konkret für die grenzüberschreitende Kooperation in der Bodenseeregion? In welche Richtung müssten die bestehenden Strukturen weiterentwickelt werden? Und für was braucht es ein (politisches) Dach über den verschiedenen funktionalen Räumen der Bodenseeregion?

Zielsetzung des DenkRaumForums

  • Differenzierte Wahrnehmung der Bodenseeregion als grenzüberschreitender Kooperationsraum
  • Diskussion zur zukünftigen Bedeutung der Region als Handlungsraum
  • Identifizierung wichtiger Themenfelder, des bestehenden Wissensbedarfs sowie des (möglichen) Handlungsbedarfs für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der regionalen und der grenzüberschreitenden Kooperationsstrukturen in der Bodenseeregion

Inputreferat: Dr. Roland Scherer (Direktor IMP-HSG, Universität St.Gallen)

Diskussionsthemen

  • Wie nehmen Sie die Bodenseeregion in ihrer Einheit und Vielfalt wahr?
  • Gibt es eine regionale Identität in der Bodenseeregion? Und wenn ja, was macht diese aus?
  • Welche Funktionsräume lassen sich in der Bodenseeregion unterscheiden? Und sind diese zwin-gend auch grenzüberschreitend?
  • Braucht es auch zukünftig eine übergeordnete Bodenseeregion als Handlungsraum? Und wenn ja, für was?
  • Was bedeutet das für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion?

Die Veranstaltung fand am 19.9.2019 in St.Gallen, statt.