TTT-Talks 2021: Wann hat die Mobilität der Zukunft eine Zukunft?

Selbstfahrende Autos oder Züge, Sharingmodelle, Elektromobilität – was (immer noch) futuristisch anmutet, könnte schon bald Realität werden. Der Wissenschaftskongress 2020 «Digitalisierung und Mobilität» zeigte eindrücklich, was bereits alles möglich ist. Doch werden diese Angebote auch angenommen? Think Tank Thurgau und DenkRaumBodensee fragten in vier Gesprächsrunden Expertinnen und Experten «Wann hat die Mobilität der Zukunft eine Zukunft?»

Im September 2020 fand der Wissenschaftskongress “Digitalisierung und Mobilität” mit dem Titel “Hat die Zukunft der Mobilität eine Zukunft” als Kooperationsveranstaltung von Think Tank Thurgau und dem regionalen Think Tank «DenkRaumBodensee» statt. Eine Erkenntnis aus dem Wissenschaftskongress war, dass positive Veränderungen nur gelingen können, wenn die Mobilitätsnutzer bereit sind, ihre Einstellung und ihr Verhalten zu verändern. Die Veranstalter diskutierten im Rahmen von vier sog. TTT-Talks mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Praxis, wie es gelingen kann, die Mobilität der Zukunft der Bevölkerung näher zu bringen und die entsprechende Veränderungsbereitschaft positiv zu beeinflussen.

Matthias Mölleney (Präsident Think Tank Thurgau) und Prof. Dr. Alexander Eisenkopf (Zeppelin Universität, DenkRaumBodensee) starteten die Talk-Reihe mit dem renommierten Verhaltensökonomen Gerhard Fehr. Wie kann es gelingen, das Verhalten der Bevölkerung zu ändern? Laut Fehr bewegen sich die meisten Menschen entlang von Mustern, die sich oftmals über Jahre eingeschliffen haben. Um Verhaltensänderungen zu bewirken ist es wichtig, positive Anreize zu setzen. Das wirkt wesentlich besser als negative Konsequenzen. Dies gilt auch für unser Mobilitätsverhalten.

Politikerinnen und Politiker können hierbei mit gutem Beispiel voran gehen. Dr. Roland Scherer (Direktor IMP-HSG Universität St.Gallen | DenkRaumBodensee) diskutierte mit Jost Rüegg (Kantonsrat, Vizepräsident Grüne Kanton Thurgau) und Sarah Bünter (Präsidentin Die Junge Mitte Schweiz) die Rolle der Politik. Um das Mobilitätsverhalten zu ändern, braucht es Sensibilisierung, aber auch attraktive Angebote und klare Vorgaben – und eine Vorbildfunktion der politisch Verantwortlichen. Darin waren sich die Diskutanten einig. Früher war das Auto ein Statussymbol – auch für die Jugend. Für viele Junge ist heute die Nutzung des ÖV selbstverständlich, nicht nur weil es klimaverträglicher, sondern auch, weil es sozialer ist. Und die Digitalisierung kann helfen, den Zugang zu den Angeboten zu erleichtern.

Werner Fritschi (Leiter Markt bei der Regionalbahn Thurbo AG und Präsident Thurgau Tourismus) machte im Gespräch mit Dr. Roland Scherer und Regula Broger (Vizepräsidentin des Stiftungsrats Think Tank Thurgau) deutlich, dass der ÖV nur ein Baustein im Mobilitätsangebot sein kann. Als Mobilität der Zukunft wünscht sich Fritschi ein Verständnis von Mobilität als Gesamtpaket, eine Plattform mit niederschwelligen Angeboten unterschiedlicher Mobilitätsanbieter. Die Bahn wäre nur ein Element, das beispielsweise um Sharing-Angebote ergänzt werden kann. Den Kundinnen und Kunden ist es wichtig, sich möglichst einfach, komfortabel und preiswert im Raum bewegen zu können und dabei auf das für sie und ihre Anforderungen beste Mobilitätsmittel zugreifen zu können. Insbesondere in der Bodenseeregion braucht es dafür Kooperationen, um grenzüberschreitend ein attraktives Angebot bereitstellen zu können.

Kooperationen und eine integrierte Sichtweise auf die Verkehrsplanung sind auch für Stefan Thalmann (Abteilungsleiter Öffentlicher Verkehr, Kanton Thurgau) und Daria Martinoni (Leiterin Region Ost, SBB AG) im vierten TTT-Talk wichtig, um zukünftigen Herausforderungen noch besser begegnen zu können. Raum- und Siedlungsplanung muss mit der Verkehrsplanung Hand in Hand gehen. Durch das Zusammenspiel soll es gelingen, Mobilitätsangebote zu konzentrieren, den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Immobilienentwicklung zu optimieren. Hierbei gilt es, die Funktionalitäten mit hoher Dichte bestmöglich aufeinander abzustimmen, um allen Zugang zu attraktiven Mobilitätsangeboten zu bieten.

Obwohl die Schweiz bereits über ein gut ausgebautes ÖV-Netz verfügt, werfen die Planer gerne einen Blick auf andere Länder und Regionen. Die Niederlande und Japan sehen sie als Vorbilder an. Vom Blick über die Grenzen hinweg – beispielsweise ins benachbarte Vorarlberg – kann nicht nur die Bodenseeregion profitieren.

Bildnachweis: Tagblatt (Noah Salvetti)

Beitrag Leader | digital vom 05. Mai 2021: Wann hat die Zukunft der Mobilität eine Zukunft?